Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen hatte unlängst zu beurteilen, ob eine Parzelle durch eine Dienstbarkeit zulasten des Nachbargrundstücks hinreichend erschlossen sei, um einen Ausbau der Liegenschaft bewilligen zu können. Im konkreten Fall ging es um die Einsprache der Nachbarn gegen ein Baugesuch in Bichwil. Diese machten geltend, das Baugrundstück sei nicht hinreichend erschlossen, weil für die Zufahrt über ihr Grundstück kein ausreichendes Fahrwegrecht bestehe. Ein zivilrechtliches Verfahren beim Bezirksgericht über das grundbuchlich gesicherte Fuss- und Fahrwegrecht ist noch hängig.
Gemäss Raumplanungsgesetz dürfen Baubewilligungen nur erteilt werden, wenn das Land erschlossen ist. Erschlossen ist es dann, wenn es über eine hinreichende Zu- und Wegfahrt verfügt. Im besagten Fuss- und Fahrwegrecht gemäss Grunddienstbarkeitsvertrag von 1943 wird dem Eigentümer des fraglichen Grundstücks die jederzeitige und ungehinderte Ausübung des Fuss- und Fahrwegrechts über das Grundstück des Nachbarn eingeräumt. Die Nachbarn bestritten nun unter anderem, die Auffahrt zum begünstigten Grundstück sei damals anders, nicht so nahe an ihrem Haus vorbei verlaufen.
Liegt ein unbeschränktes Fuss- und Fahrwegrecht zu Gunsten der Bauparzelle vor und ist einzig umstritten, wo und in welchem Ausmass dieses heute ausgeübt werden darf, ist die hinreichende Zufahrt aus baupolizeilicher Sicht sichergestellt. Es ist nicht Sache der Bewilligungsbehörde, über zivilrechtliche Streitpunkte zu entscheiden.
Für die baurechtliche Beurteilung sieht das Zivilgesetzbuch eine Stufenordnung vor. Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Grundbucheintrag ergeben, ist dieser massgebend. Nur wenn der Wortlaut unklar ist, darf auf den Dienstbarkeitsvertrag zurückgegriffen werden. Ist auch dieser nicht schlüssig, kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt wurde. [Urteil vom 4. April 2013]