Das Bundesgericht hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wann der gesetzlich festgelegte Strassenabstand in einem Bauprojekt mittels Ausnahmebewilligung unterschritten werden darf. Im strittigen Fall wehrte sich ein Nachbar gegen eine Baubewilligung der Gemeinde Hergiswil NW. Mit Ausnahmebewilligung hatte die Behörde den Strassenabstand des Neubaus von vier auf zwei Meter reduziert.
Dies wirft die Frage auf, unter welchen Bedingungen die Behörde dazu ermächtigt ist. Im Kanton St. Gallen sind die Strassenabstände im Strassengesetz (StrG) geregelt, sofern in Bauordnungen oder in Sondernutzungsplänen nichts anderes festgelegt ist. Die zuständige Behörde kann von den genannten Regeln abweichen, «wenn weder Verkehrssicherheit noch Strasse beeinträchtigt werden» (Art. 108 Abs. 2 StrG).
Damit Ausnahmen nicht zur Regel werden, nennt das Planungs- und Baugesetz in Art. 108 die Voraussetzungen. Demnach kann von Vorschriften abgewichen werden, wenn die Ausnahmebewilligung nicht gegen den Sinn und Zweck der Vorschrift verstösst, keine überwiegenden öffentlichen Interessen verletzt und die Nachbarschaft nicht unzumutbar benachteiligt.
Bereits früher hat das Bundesgericht festgehalten, dass Ausnahmebewilligungen dazu dienen, «im Einzelfall Härten und vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollte Wirkungen zu vermeiden. Sie dürfen nicht dazu eingesetzt werden, um generelle Gründe zu berücksichtigen, die sich praktisch immer anführen lassen und im Ergebnis auf eine Änderung des Gesetzes hinauslaufen.» Eine Ausnahmebewilligung muss somit über die in den Gesetzen erwähnten zwingenden Voraussetzungen hinaus im Einzelfall ein ungewolltes Ergebnis verhindern helfen. Im besagten Gerichtsfall war dies der Fall, weil der geplante Neubau neben eine denkmalgeschützte Baute zu stehen kam und mit der Ausnahmebewilligung der Gebäudeabstand vergrössert werden konnte.
Urteil des Bundesgerichts 1C_425/2016 vom 9. Mai 2017