Überragen Äste eines Baums die Grundstückgrenze oder arbeiten sich Wurzeln auf das Nachbargrundstück vor, muss dies der betroffene Nachbar nicht ohne Weiteres dulden. Gemäss Art. 687 Abs. 1 ZGB kann der Nachbar Äste und Wurzeln kappen, wenn sie sein Eigentum schädigen und der Eigentümer Äste oder Wurzeln nicht binnen einer angemessenen Frist entfernt hat.
Das Kapprecht stützt sich somit nicht auf einer ungerechtfertigten Einwirkung, also beispielsweise allein auf das Überragen der Äste ab. Vielmehr muss eine erhebliche, übermässige Schädigung des Eigentums vorliegen. Was übermässig ist, bleibt in der Rechtslehre allgemein umschrieben. Die Beurteilung erfolgt nach einem objektivierten Massstab, also nach dem Empfinden eines Durchschnittsmenschen, und nicht nach der subjektiven Ansicht des angeblich betroffenen Nachbarn, wobei dem Richter ein Ermessensspielraum eingeräumt wird. Übermässig ist eine Immission dann, wenn sie von jedermann, der sich in der Lage des Klägers befindet, auch so empfunden wird. Die Beurteilung der Übermässigkeit erfolgt unter Berücksichtigung der Lage (Stadt, Land, Wohnquartier, Industriezone), der Beschaffenheit sowie des Ortsgebrauches als massgebende objektive Kriterien.
So hatte das Bundesgericht vor einigen Jahren einen Fall zu beurteilen, in dem ein Kläger die Störung seines Eigentums – eine angrenzende Strassenparzelle – durch überragende Ästen und Laubfall geltend machte und die Entfernung der Äste verlange. Die Richter befanden, Laubfall könne zwar die Strasse glitschig machen und insofern zu einer gewissen Beeinträchtigung führen. Diese sei aber nicht übermässig – unter anderem auch deshalb, weil es den örtlichen Gegebenheiten in einem Villenquartier ohne Durchgangsverkehr entspreche.