Die örtlichen Baugesetze legen fest, in welchem Abstand zur Grundstückgrenze Gebäude erstellt werden dürfen. Die Besitzer benachbarter Liegenschaften können aber durch den Eintrag einer sogenannten Dienstbarkeit im Grundbuch vereinbaren, dass einer oder beide näher oder gar direkt bis an die Grenze bauen dürfen. Im Fachjargon wird dies als «Näherbaurecht» bezeichnet.
Diese auf den ersten Blick einfache Vereinbarung kann aber Stolpersteine beinhalten. Das zeigt ein Fall aus dem Kanton Glarus, der vor Bundesgericht landete. Zwei Eigentümer hatten vereinbart, dass beide das Recht haben, bis auf einen Meter an die gemeinsame Grenze zu bauen. Als einer der Grundstückbesitzer dann von der Regelung Gebrauch machen wollte, rekurrierte der Nachbar. Seine Begründung: Weil das örtliche Baugesetz einen öffentlich-rechtlichen Gebäudeabstand von mehr als zwei Metern verlangen würde, könne er später also selber gar nie von der Abmachung mit dem Nachbarn profitieren.
Das Bundesgericht gab ihm aber nicht recht, weil aus dem Eintrag im Grundbuch nicht hervorgeht, dass beide Parteien unbedingt die Möglichkeit haben müssen, vom gegenseitig eingeräumten Näherbaurecht profitieren zu können. Damit hat derjenige, der zuerst baut auch zuerst die Chance davon Gebrauch zu machen. Fazit: Besteht aufgrund des öffentlich-rechtlich vorgeschriebenen Gebäudeabstands das Risiko einer Situation wie im Glarner Fall, sollte bei der Eintragung der Dienstbarkeit unbedingt geregelt werden, wie mit dem Näherbaurecht genau umgegangen wird. Wie eine solche Abmachung aussehen könnte, hängt stark von den örtlichen Gegebenheiten ab und wäre mit einer Fachperson – beispielsweise einem Baurechtsanwalt – zu erarbeiten.
(Bundesgerichtsurteil 5A_955/2022 vom 26. Mai 2023)