Und wieder entzweit der Baum

Ein jüngst ergangenes Urteil des Bundesgerichts zu einem Fall aus dem Kanton Aargau über den Beseitigungsanspruch von Bäumen im Unterabstand ist auch für den Kanton St. Gallen erhellend. Obwohl der Ratgeber bereits mehrfach auf das Thema eingegangen ist, sei es hier nochmals erörtert.
In beiden Kantonen verjährt der Anspruch des Nachbars gemäss kantonalem Gesetz nicht – ebensowenig wie im Thurgau und in Appenzell-Innerrhoden. In Appenzell-Ausserrhoden betragt die Verjährungsfrist (für Bäume) fünf Jahre.
Der Sachverhalt ist so: Der Nachbar eines Grundeigentümers verlangte vor Gericht die Beseitigung eines Baums, der gemäss dem kantonalen Gesetz in einem Unterabstand steht. Über die Jahre hatte sich der Ahorn zu einem mächtigen Baum entwickelt, woran sich der Nachbar zu stören begann und die Beseitigung verlangte. Zu spät, befand das Obergericht. Der Anspruch sei verwirkt – obwohl das Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch wie erwähnt keine Frist kennt.
Das Bundesgericht stützt nun die Erwägung des Obergerichts, wonach der Rechtsanspruch auf Beseitigung gleichwohl verwirken könne. Für die Beurteilung, wie lange das widerspruchslose Dulden andauern muss, bis der Rechtsanspruch verwirkt, gelte die Frist der «ausserordentlichen Ersitzung» von 30 Jahren. Es sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, dem Nachbarn den Anspruch auf Beseitigung von Bäumen und Sträuchern darüber hinaus zuzugestehen, die er während Jahren ohne Widerspruch geduldet habe. Das sei selbst dann der Fall, wenn eine Pflanze mit der Zeit gross geworden sei.
Der Grundeigentümer konnte belegen, dass der Baum bereits 1979/80 stand. Ebenso war der Beschwerdeführer damals bereits Nachbar des Grundeigentümers, was die Frage aufwirft, wie die Richter den Fall bei einer zwischenzeitigen Handänderung beurteilt hätten. Dies muss leider offen bleiben.
Urteil 5D_80/2015 vom 7. September 2015